Was für eine Nacht! Was für ein Morgen! … das hätte auch richtig schief gehen können

Den Helder, Koninklijke Marine Jacht Club, 05. Juli 2025, 07:55 Uhr
Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Am Ende wäre am naheliegendsten … das Adrenalin ebbt jetzt vermutlich gerade so langsam ab, wo wir im Hafen sind und ein Müsli zum Frühstück essen.
Doch first things first. Der Morgen des 4. Juli war sonnig. Wir waren beide früh fit und sind um 09:30 Uhr aufgebrochen, um durch die Roompot Schleuse auf die Nordsee zu fahren. Gegen 10 Uhr waren wir unter Segeln auf dem Weg Richtung Norden. Wir mussten erst durch zwei Fahrwasser hindurch um mit Kurs 45° dann für die nächsten Stunden bis Hook van Holland zu fahren. Bester Wind und Gelegenheit unser frisch repariertes buntes Spielzeug auszuprobieren. Der Gennaker brachte uns tatsächlich die entscheidenden ein, zwei Knoten mehr Fahrt, ohne ihn hätten wir vielleicht den Motor anwerfen müssen. Allerdings haben wir bei Hook van Holland tatsächlich den Gennaker eingeholt und sind mittels Motor das Stück schnell gekreuzt, an dem aller ein- und ausgehender Schiffsverkehr nach Rotterdam durch kommt.




Aber kaum durch, Gennaker wieder hoch und jetzt Kurs 28°. Wären zwischendurch nicht diverse Wildparks (ich glaube, Michael meint WINDparks, oder doch die wilden Möwen? [T]) oder sonstige Sperrzonen gewesen und wir ab und an kleine Kurskorrekturen machen mussten, wären wir so bis zur Ansteuerung vom Schulpengat gekommen, was rein zu Den Helder und Texel führt.
Für die Nacht war Windstärke 4 bis 5, ab und zu 6 angesagt. Wie liessen sich meine Schwiegereltern doch einst auf Sylt von der Besatzung eines Seenotkreuzers sagen: „Das Schiff kann das!“
Was das Schiff alles kann, sollte sich am frühen Morgen noch zeigen. Doch dazu später.
So gegen 20:30 Uhr gestern Abend haben wir uns dann für die Nacht vorbereitet. Gennaker und Großsegel eingeholt. Warme Klamotten nach für nach angezogen und den Schlafsack rausgeholt, denn wir schlafen bevorzugt in der Plicht, wenn wir unterwegs sind.
Gesegelt sind wir abwechselnd, wärend der andere schlief. Tatsächlich ist Tanja ja eher die Nachteule und friert nicht so schnell. Somit lag ich öfter unter dem warmen Schlafsack.
So auch, als wir uns gegen 4:30 Uhr, früher als erwartet, dem Eingang ins Schulpengat näherten. Eigentlich gut, dachte ich, den so hatten wir noch mitlaufenden Strom. Das vermied eine Wind gegen Welle Situation, allerdings war es noch dunkel. Tanja wollte also die Fahrt etwas verlangsamen und bat mich, als ich den Kopf unter Schlafsack vorstreckte, beim Reffen des Vorsegels zu helfen. Klar, kein Problem … doch dann schlug die Seekrankheit, die bei mir die Nacht über – bei dem ekeligen Schaukelkurs mit raumer Welle und Wind – schon ab und an angeklopft hatte, vollends zu. Das Vorsegel zwar gerefft, aber ich hing einstweilen über dem Heckkorb und wünschte mir, statt des leckeren Kartoffelsalates, lieber Apfelmus gegessen zu haben, da das, Gerüchten zur Folge, rauf wie runter schmecken soll.
Kurz vor Den Helder fragte Tanja, ob es ok sei, wenn sie weiter bis Den Oever fahren würde. Wir hatten überlegt, von dort über das IJsselmeer Richtung Harlingen bzw binnen weiter nach Groningen zu fahren.
Naja, bis nach Den Oever hat es heute nicht geklappt. Was einerseits auch gut ist, denn wie mir der Hafenmeister hier eben sagte, sei die fernbediente Schleuse wegen defekter Sensoren außer Betrieb.
Andererseits hatten wir heute morgen, so um 6 Uhr mal wieder ganz viel Pech und am Ende noch viel mehr Glück … was auch Tanjas Situationsverständnis und Geschick beim Handling eines Segelbootes zu verdanken ist.
Doch was passierte, als ich von einem Rumpeln aus dem Schlafsack geholt wurde, das lasse ich sie erstmal berichten. [M]
Da macht Michael es aber wirklich spannend. Ich habe sowohl die Tag- als auch die Nachtfahrt genossen. Tagsüber ein vergleichbares Boot quasi stehen zu lassen, weil wir mit Gennaker schneller sind, nachts den Mondschein im Rücken und viele Lichter zum identifizieren am Horizont: Iso 5s (Ansteuerung) vs Bl (9) 8s W-Tonne vs ganz viel weiss und etwas grün (ein Fischerboot) bei der Arbeit.. Ok, es war ein wenig bumpy, aber das ist ja auch ein guter Ersatz für das Fitness-Studio.
Ich fühlte mich morgens noch fit und wollte weiter, weil ich schon ahnte, dass uns nach dieser Nacht alles wehtun und wir die Kanäle genießen würden statt wieder auf die Nordsee zu gehen. Leider habe ich eine Situation mit drei Untiefentonnen auf unserer neuen Seekarte nicht richtig verstanden und habe eine Kurve nicht genommen. Als der Tiefenmesset rapide abnehmende Wassertiefe anzeigte, konnte ich noch abdrehen, aber dann sassen wir schon im Schlamm fest. Wind und Wellen von hinten, etwas Strom von vorne. Mit flatterndem Vorsegel und dem schnell angeworfen Motor konnte ich das Schiff noch etwas weiter drehen, aber mehr auch nicht. Segeln wieder dichtholen um mehr Schräglage aufzubauen ging auch nicht, weil sich inzwischen die Schoten in einen grossen Knoten verwandelt hatten. Und jede dritte Welle führte zu einer neuen Grundberührung – in dieser Situation haben wir dann das erste Mal in unserem Seglerleben die Seenotrettung angerufen… Während Michael also von unserer Legewall-Lage berichtete und Position und Schiffsdaten durchgab, ist es mir dann doch gelungen, das Boot so weit zu drehen und die Schoten zu entwirren, so dass wir tatsächlich freigekommen sind. PUH!
Michael konnte direkt wieder Entwarnung geben und auf dem Rückweg war es auch möglich, dass Segel trotz neuer Verschlingungen einzuholen ohne die Leine in der Schraube zu platzieren und diverse Gegenstände oder Menschen ins Wasser zu werfen. Das passiert dann nämlich gerne on top…
Als Buße habe ich diesmal das Essen bezahlt und bin quer über das ganze Gelände des Marinemuseums gelaufen, um einen Spendenwimpel der Koninklijke Nederlandse Redding Maatschappij (KNMR) zu kaufen. Wie gut, dass ich so gar nicht abergläubisch bin…[T]







Ich hoffe es wirkt, und wir brauchen sie auch in Zukunft nicht…
Im Nachgang habe wir das Erlebte beim Schlendern durch Willemsoort noch mehrmals Revue passieren lassen. Das hätte so richtig schief gehen können. Wir sitzen jetzt wieder gemütlich in der Plicht, essen Kuchen und trinken Tee. Glücklich und Dankbar, dass der Tag sich zum Guten gewendet hat. [M]




Also das liest sich echt wie ein Krimi! Schön, dass alles gut gegangen ist!
Danke, da bin ich auch echt froh drüber.
Ab jetzt nur noch im hellen fahren
Es war ja bereits hell …
ich habe auch gerade mal nachgeschaut … das nächste Tonnenpaar war zwar unbeleuchtet aber das übernächste war beleuchtet … also vielleicht wäre es im Dunkeln tatsächlich einfacher gewesen, den richtigen Weg zu nehmen … aber das ist jetzt Spekulation. Hätte, hättte Fahradkette.
Es war diesig wg beginnenden Nieselregen…
Ok akzeptiert Hauptsache alle sind gesund!