Ein Echtes Büttscher Schützenfest
Büttgen, Im Hafen der Ehe, So 25.06.2022
Im Urlaub vom Urlaub leidet die Routine. Aber was solls, es müssen ja nicht immer tagesaktuelle Berichte sein, um das Geschehen festzuhalten. Denn gestern Abend war nun wirklich keine Gelegenheit zum Tippen, auch weil der Abend erst heute morgen endete.
Es war ein beschaulicher Anfang des Urlaubs vom Urlaub. Morgens, gegen acht saß ich bereits auf der Terrasse unserer Herberge und genoss den lauen Sommermorgen mit lesen, YouTube Videos schauen und in den schönen Garten zu blicken. Es war ein gutes Gefühl zu wissen, dass der Tag nicht mit Törnplanung, Segel- oder Radtour auf mich wartet. Einfach nur sitzen und entspannen! Nach für nach erwachte das Haus in freudiger Erwartung auf die kommenden Stunden.
Am frühen Nachmittag füllte sich dann der Tisch mit leckerem Kuchen, da der Schützenzug und die BegleiterInnen der Schützen und Kinder des Hauses zum Antreten erwartet wurden. Während sich die Schützen erst gemächlich mit dem Vorbereiten ihrer Uniformen und dem Ankleiden beschäftigten, konzentrierte sich die Teilnehmer des „Damenprogramms“ auf Kaffeetrinken und Kuchenessen.
„Das Ende trägt die Last“ – es wurde hektisch weil das offizielle Programm bald starten sollte. Doch zuvor musste der Zug „Echte Bütscher“ noch antreten und sich in ihren neuen Uniformen den bewundernden Blicken ihrer Begleiterinnen stellen. Und dann wurden auch noch Orden verliehen, damit beim Marschieren die Röcke in der Sonne glitzern und blinken.
Wir sind im Rahmen des „Damenprogramms“ eine Weile später zum zentralen Marschierweg des Büttger Schützenfestes gezogen. Es ist so, dass die gesamte Schützenschar und zahlreiche Kapellen des Umlandes vor dem Schützenkönig und seinem Gefolge eine Parade abhalten und je nach Regiments-Corps im Stechschritt oder nur mit gezogenem Hut am König vorbei zum Marktplatz ziehen. Samstags findet dort dann nach einer kurzen Begrüßungsrede ein Zapfenstreich statt. Immer ein sehr stimmungsvolles Ereignis. Tanja verglich es mit der Sonnenwendzeremonie in Ringköbing. Nur das hier deutlich mehr Aufwand und Lametta am Start ist. Wobei in der Rede auch nachdenklich Worte die Situation um den Krieg reflektierten. Ich dachte daran, dass der Ursprung des Schützenwesens in der Landesverteidung liegt. Also ganz nah an dem, was in der Ukraine derzeit schreckliche Realität geworden ist. Der „Aufmarsch“ hier findet im Gegensatz aber statt, um die Menschen zu erfreuen und kurzzeitig von den Sorgen des Alltags abzulenken. Es ist seit mehreren Jahrhunderten eine Tradition, die vieles überdauert hat.
Ja, frau kann sich nicht satt sehen am Schützenheer, deswegen gibt es seit Jahren erarbeite strategische Punkte im Dorf an denen frau sich am Zugesrand platziert um zu schnacken und sich der vielen Uniformierten im Vorbeimarsch zu erfreuen.
Abends dann Party im Festzelt, wo sich Jung und Alt alle Jahre auf ein Wiedersehen einfinden. Viele reisen von nah und fern an. Manche kommen sogar aus Dänemark…
Es fanden sich in diesem Jahr allerdings deutlich weniger Menschen als in den Vor-Corona-Jahren ein. Wohl auch bedingt dadurch, dass in der Vorwoche nach dem Schützenfest in einem Nachbarort die Anzahl der Corona-Infizierten sprunghaft anstieg. Es ist ein Balanceakt zwischen „das Leben muss weitergehen“ und „ich gehe dem Virus aus dem Weg, weil ich a) keinen Bock habe mich dem Risiko auzusetzen oder b) nächste Woche etwas mir wichtigeres vorhabe“. Diese Entscheidung trifft jeder für sich. Und ändert sie im Laufe des Abends mit zunehmendem Alkoholgenuss auch in die eine oder andere Richtung. Im Rheinland lebt man gerne auch nach dem Motto „Es hät noch immer jut jejange“. Hoffen wir das Beste und das wir unsere Reise unbeeinträchtigt in Dänemark fortsetzen können. [M]
Sehr schöne Beschreibung, dem ist nicht viel hinzuzufügen, auch weil ich trotz dänischem Rauchfisch zum Frühstück noch etwas beeinträchtigt bin…
Vielleicht noch zwei Zitate: „Amerika war noch nicht entdeckt, da wurde in Büttgen schon Schützenfest gefeiert“, Norbert Blüm 1990 in seiner Rede zur 575-Jahr-Feier . „Ehrlich gesagt ist das was wir hier machen völliger Blödsinn“, ein Schütze spätabends/frühmorgens im Zelt. Letzterem füge ich dann gerne hinzu: „Genau, Blödsinn, aber mit heiligem Ernst durchgeführt“. [T]
Danke für die tollen Erzählungen!!! Gefühlt war ich beim lesen auch im Urlaub;)