Ostsee kann auch Diemelsee

Middelfart, Gammle Havn, 28.07.2022, 23:45 Uhr

Immer wieder faszinierend, wie das Meer sein Gesicht wechseln kann. Beherschten gestern noch 1 bis 2 m hohe Wellen das Geschehen hier in der Ostsee zwischen Samsø und Fünen, so zeigte sich die See heuten bei Wind um 2 bis 3 Bft kn fast spiegelglatt. Tanja hat heute morgen – ausnahmsweise – mal etwas länger geschlafen. Für mich war die Nacht so gegen 8 Uhr vorbei. Ich bin dann auf, habe gespült, mir einen Kaffee gekocht, und dann das Fahrrad aufgebaut und bin nach einer Runde durch den Hafen und die Marina, zunächst zum Hafenkontor um dort unserer Liegegeld am Automaten zu begleichen, Von dort dann ins Zentrum um Brötchen zu holen. Von der Aktion, wie die Schraube von der Leine befreit wurde, haben wir ja schon etwas berichtet.

An Bogense habe ich ganz frühe CHRITA Erinnerungen. Es muss so 2009 gewesen sein, als ich mit Tanja, Doris und Manfred bei leichtem SW Wind aus Bogense Richtung Aebelo segeln durfte. Nach den Sommerferien 2008 in Schwedens Göta-Kanal für mich das zweite Mal auf dem Boot. Kurz vor Aebelo, nach so 5 nm hielt mir Doris einen kleinen grauen Eimer hin, der auch heute noch in der Backskiste der CHRITA sein Dasein fristet. „Ist der für mich?“ fragte ich verwundert? Keine 10 Sekunden später wusste ich wozu ich den Einmer nutzen sollte. Es war schlimm, das erste Mal Seekrank. Den Abend haben wir vor der Insel vor Anker gelegen. Ich habe die Fotos, die ich damlas gemacht habe zT noch vor Augen. Es war ein toller Sonnenuntergang und wir sind mit dem Dinghi auf die Insel für einen kurzen Spaziergang. In der NAcht ging es dann zurück nach Bogense. Meine Reaktion auf das Erlebnis Nachtfahrt bekomme ich heute noch des öfteren zu hören. Alle meinten, nun müsse ich doch restlos vom Segeln begeistert sein. Tja, ich erinne mich noch an den Spaziergang mit Tanja durch den HAfen in Bogense, bevor wir wieder abgereist sind. „Das ist nix für mich. Campen auf dem Wasser und 500 bis 1000 m bis zur nächsten Toilette. Das brauche ich nicht.“ Tanjas Emotionsausbruch lasse ich hier aus Pietätsgründen mal weg. Aber wie die Geschichte zeigt, habe ich mich mit meiner bedingungslosen Konsequenz durchgesetzt. Seitdem bin ich nie wieder segeln gewesen … Nun, nach 13 Jahren bin ich erneut in der Marina von Bogense. Ich müsste leugnen, wenn ich behaupte, ich sei dieses Mal mit dem Auto angereist. Ach was solls, am Edersee habe ichs doch gesagt. Diese Frau bringt mich dazu Grenzen zu überschreiten. Seit ich mit Tanja zusammen, und insbesondere auf diversen Reisen bin, weiß ich was der blöde Spruch „die Komfortzone verlassen“ tatsächlich bedeutet. Bequem ist das wahrlich nicht immer. Aber meistens interessant, eine Erfahrung wert und ich bin danach ein bis hundert Erlebnisnisse reicher (von denen ich immer noch der Meinung bin, einge nicht gebraucht zu haben).

Aber ich war beim Diemelsee. Dort habe ich in jungen Jahren meine ersten Nautischen Erfahrungen gemacht. Mein Vater ist des öfteren mit uns dorthin zum Bötchen fahren. Elektroboot. Und wir Pimpfe durften auch mal steuern. Vermutlich war es diese frühkindliche Prägung, die mich nach wie vor (natürlich nach einer längeren Pause von so ca 25 Jahren) das Ruder halten lässt.

Apropos Diemelsee: Nicht besonders groß; ab und an auch mal zugefroren – zumindestens früher; cooles Schwimmen im Sommer; Motorradstrecke von der Staumauer bis Heringhausen und dann Richtung Arolsen … Dies war ein Ort, zu dem es mich immer wieder hingezogen hat. Auch lange Spaziergänge mit intensiven Gesprächen erinnere ich gerne. Sicherlich, es gab keine 2 Meter hohen Wellen in die das Elektroboot knallte. Und genau deswegen kam mir heute der Vergleich zum Diemelsee in den Sinn. Als wir mit 3 kn unter vollen Segeln Richtung Lille Belt über die Ostsee glitten. Nur ein leises Plätschern war zu hören. Das Wasser glitzerte in der Sonne, die mein Gesicht wärmte. So macht Segeln auch Spass. Aber Tanja hat schon recht: Es ist beim Segeln die Abwechselung, die den Reiz ausmacht. Harte, kalte Bedingungen, die müde machen, bis zur Erschöpfung bringen, einen hoffen lassen, dass es, bitte bitte ganz schnell vorbeit geht. Und auf der anderen Seite wiederum Gelegenheiten die Seele baumeln zu lassen und zu wünschen, dass es immer so weiter geht.

Unseren Trip heute haben wir vorzeitig beendet. Statt bis 21 Uhr durch den Belt und einen Fjord zu motoren, haben wir uns direkt nach der Neuen Lille-Belt Brücke in den Gammle Havn, den alten Hafen von Middelfart begeben. Dieses Ambiente ziehen wir der neuen Marina vor. Wir liegen zwar wieder im Päckchen, doch rundherum entweder Museumsschiffe, Ausflugsboote oder andere Yachten bis in die hinterste Ecke. Das ist ein anderes Bootsleben als wie die Hühner in den Boxen einer modernen Marina, die von Glitzerbauten und Baustellen von bald noch stärker glitzernden Häusern umgeben ist, Mittelfart hat eine schöne Altstadt und Fussgängerzone und öffnet sich mit einer Promenade zur Neuen Belt Brücke hin. Die Lichtstimmung bei unserem Abendspaziergang heute war genial, gerade recht, um ein, zwei Photos zu machen.

Ach ja, und es gab auch einen Cocktail „Middelfart“ : 1 Teil Rivaner, 1 Teil Himbeerdingens aus Ebeltoft, und dann noch 1 Teil Wodka (zur Not auch etwas mehr). Habe ich heute kreiert, Hat mir sogar so gut geschmeckt, das ich mir einen zweiten nicht abschlagen konnte.[M]

Puh, welch‘ Philosophieren. Ich halte mich da mal ganz kurz und sage nur: Augen auf bei der Wahl der Ehefrau…[T]

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2 Antworten

  1. Monia sagt:

    Das hast du aber so schön geschrieben Michael! Das veranlasst mich in den Erinnerungen an eure Hochzeit zu schwelgen…. Schön, das eure Krimitage vorbei sind und ihr wieder ganz entspannt über Land radeln könnt!

  2. Caro sagt:

    Der „Middelfart“ klingt lecker 🙂 Sehr schön geschrieben! Das Segeln und Reisen und über die Grenzen hinaus gehen… Ist so wie im Leben mal einfacher und mal schwieriger

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